Porträt einer jungen Frau in Flammen von Céline Sciamma
Der Film PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN hatte zunächst mein Interesse geweckt, weil er eindeutige Bildzitate aus dem bereits von mir untersuchten Film DAS PIANO verwendet. Mir war aber auch aufgefallen, dass es in dieser Zeit eine seltsame Häufung von Filmen gab, die lesbische Beziehungen in der Zeit zurückversetzen: Die Filme AMMONITE von Francis Lee und THE WORLD TO COME von Mona Fastvold erschienen wenig später auf der Leinwand. Ein weiterer, wesentlicher Aspekt macht den Film PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN zu einem interessanten Forschungsgegenstand: Der Film gilt als Manifest des ‚weiblichen Blicks‘ im Kino. Eine erste Heranführung an den Film unter Einbeziehung der Diskussion in den Medien, verbunden mit einer Erläuterung des sogenannten weiblichen Blicks, findet sich unten zum Download.
Zu dem Film PORTRÄT EINER JUNGEN FRAU IN FLAMMEN wurden Erhebungen in mehreren Schritten durchgeführt:
(1) Zunächst habe ich eine kleine Gruppe von Frauen aus dem Bekanntenkreis zur Vorführung des Films im Rahmen eines Queer-Filmfests in Berlin eingeladen. Im Anschluss habe ich (in einem nahegelegenen Café) eine Gruppendiskussion durchgeführt. Mir ging es insbesondere darum, zu explorieren, ob die Erhebung physiologischer Daten in dieser (öffentlichen) Situation gelingen kann und einen ersten Fragebogen zu testen, der direkt im Anschluss an den Film noch im Kino ausgefüllt wurde. Außerdem wollte ich erste Eindrücke von anderen Zuschauerinnen sammeln. Die wesentliche Erkenntnis dieses ersten Schritts bestand darin, dass bei einer Vorführung im Kino vielfältige, unkontrollierbare Störeinflüsse das Filmerlebnis empfindlich beeinträchtigen können. Auch zeigte sich, dass das Filmerleben stark von der Gruppensituation geprägt war. Da mein Erkenntnisinteresse auf die individuell unterschiedlichen Wirkungen narrativer und stilistischer Basisstrukturen des Films zielt, habe ich von einer Haupt-Untersuchung in einer Kino-Situation Abstand genommen.
(2) Der nächste Untersuchungsschritt stand im Zeichen der Covid19-Pandemie: die Cinebox musste geschlossen bleiben. Deshalb wurden in einer Pilot-Studie zehn Personen (fünf Frauen und fünf Männer) einzeln in ein häusliches Wohnzimmer eingeladen. Sie sahen den Film auf einem Laptop und ihre Gesichter wurden mit der Laptop-Kamera aufgezeichnet. Die Herzfrequenz wurde mit einem handelsüblichen Fitness-Armband gemessen (das das Auslesen der Rohdaten ermöglicht) und ein umfangreicher Fragebogen wurde ausgefüllt. Außerdem wurde nach der Rezeption des Films mit den Untersuchungsteilnehmer*innen ein ausführliches Interview geführt. Bei einem zweiten Termin in der Cinebox (die dann wieder genutzt werden konnte) wurden ausgewählte Szenen des Films erneut vorgeführt und die Blickverläufe registriert. Dieser Untersuchungsschritt wurde mit der Absicht durchgeführt, insbesondere die Operationalisierungen der interessierenden Variablen zu testen. Auf Basis der Ergebnisse wurde entschieden, welche Variablen in welcher Form in der Hauptuntersuchung beibehalten werden sollten.
(3) Im dritten Untersuchungsschritt sahen 20 Personen (16 Frauen und 4 Männer) in Einzelsitzungen den Film in der Cinebox. Auf eine Aufzeichnung der Gesichter der Teilnehmer*innen wurde in diesem Untersuchungsschritt verzichtet, um das für einige Personen unangenehme Gefühl, beobachtet zu werden, zu vermeiden. Die Herzfrequenz wurde mit einem professionellen Messsystem (Biopac-Nomadix) erhoben, das eine äußerst exakte Erfassung der Herzfrequenz ermöglicht. (Am Oberkörper der Untersuchungsperson müssen – wie bei einem EKG – drei Messabnehmer aufgeklebt werden. Die Daten werden per Funk an das System übermittelt, sodass keine Kabelverbindungen notwendig sind.). Nach einer Pause wurden ausgewählte Szenen des Films erneut gezeigt und die Blickverläufe registriert. Der Fragebogen fokussierte auf die Erfassung von empfundener Nähe zu den Schauspielerinnen und auf ausgelöste ästhetische Emotionen.
Auf Basis der in Untersuchungsschritt 1 und 2 erhobenen Daten sind zwei Abschlussarbeiten am BA-Studiengang GWK entstanden, für die im Folgenden Zusammenfassungen zum Download bereitstehen. Paul Magister hat sich mit einem Vergleich der Rezeption des Originals mit Untertiteln versus der synchronisierten Fassung auseinandergesetzt. Theresa Arnoldt hat sich den kontinuierlichen Daten (Herzfrequenz, mimische Veränderungen, Blickverläufe) gewidmet. Die Zusammenfassungen befinden sich derzeit noch in Vorbereitung.